Alice Geschichte beginnt im August 2006 an einer Autobahn Was muß ein Hund erlebt haben, daß sein Mißtrauen und seine Angst so groß sind? Als uns eines Tages die Meldung erreichte: "Da läuft ein Dobermann frei herum!", ahnten wir noch nicht, was uns bevorstand. In der Regel ist das Einfangen eines Hundes nicht besonders schwer. Die meisten "Schwanzwedler" sind überglücklich einen Menschen zu sehen, ganz besonders wenn er auch noch Futter dabei hat. Der Hund hatte sich nahe an zwei abgelegene Grundstücke herangewagt. Hinter den Grundstücken befand sich völliges Ödland. Eine große Senke umgeben von steilen Hängen und komplett bewachsen mit hohen Brennesseln und Dornenbüschen. Dahinter nur noch freies Feld. Nicht überraschend war die Tatsache, daß sich etwa 100m entfernt die Autobahn befand. Also machten sich die zwei auf die Suche nach dem Hund. Sie kämpften sich im Halbdunkel durch Büsche und Brennesseln, Steilhänge hinauf und wieder hinunter. Doch der Hund ließ sich nicht blicken. Am nächsten Tag machte man sich erneut auf die Suche, den besagten Hund zu finden ... und tatsächlich ... Zwischen den Sträuchern tauchte ein Hundekopf auf. Beim Näherkommen machte dieser sich jedoch schleunigst aus dem Staub. Nun begannen die beiden Frauen damit den Hund zu locken. Futter wurde ausgepackt und strategisch verteilt. Dann setzten die zwei sich auf einen Stein und warteten. Ganz langsam und äusserst vorsichtig kam der Hund näher. Wie man nun sehen konnte, handelte es sich tatsächlich um einen Dobermann und zwar um eine Hündin. Das Tier war vollkommen abgemagert und zitterte am ganzen Körper. Mit gesenktem Kopf, eingekniffener Rute und sehr wachsamen Augen schlich sie sich näher und begann zu fressen. Nach mehreren Stunden hatte sie sich so dicht herangewagt, daß man sie hätte anfassen können. Doch bei der kleinsten Bewegung zuckte sie zusammen und lief davon. So hatte das einfach keinen Sinn! Die Frauen ließen das Futter da und beschlossen am nächsten Tag wiederzukommen. Am folgenden Tag rückte wir dann in Begleitung einer Tierärztin an. Wieder blieb das Einfangen ohne Erfolg und Betäubungsmittel kamen zum Einatz. Die Dobermannhündin bekam ihr Futter und verschlang es samt der untergemischten Mittel. Doch dies hatte keine große Wirkung ... Kam man näher, stand der Hund auf und lief leicht taumelnd davon. Weitere 3 Tage und 3 Betäubungsmittel später, wurde der zweite Tierarzt, inkl. Betäubungsgewehr eingeschaltet. Der Tierarzt platzierte sich mit seinem Wagen am Wegesrand, meine Kollegin, die nun schon seit Tagen vor Ort war, setzte sich auf ihren Stein und ich selbst versteckte mich zwischen den Brennesseln. Immer wieder konnte man die Hündin sehen, sie schlich aus dem Dickicht heraus, kam kurz näher und verschwand dann wieder. Nach 1,5 Stunden reglosem Ausharren war ein dumpfer Knall hörbar, begleitet von einem kurzen und lauten Schrei meiner Kollegin. In der Zwischenzeit kamen auch der Arzt, meine Kollegin und eine Anwohnerin dazu. So standen wir mehrere Minuten und warteten, doch die Hündin wollte einfach nicht schlafen. Also stiegen wir den steilen Hang hinauf und näherten uns ihr. Sie stand aber einfach auf drehte sich um, torkelte den Hang wieder hinunter und schlug die andere Richtung ein. Wieder kämpften wir uns den Weg zurück. Zwischenzeitlich war nun auch unsere Tierärztin dazugekommen. Da waren wir nun, zwei Ärzte, zwei Tierschützer, eine Anwohnerin und eine Hündin, die soviel Betäubungsmittel im Körper hatte, daß ein Pferd hätte umfallen müssen. Jetzt aufzugeben war einfach undenkbar, der Hund war halb betäubt, stark geschwächt und hatte einen Pfeil im Oberschenkel. Nach eingehender Beratung wurde das Gewehr erneut geladen und alle gingen zurück auf ihre Posten. Erstaunlicherweise kam unsere scheue Hundedame schnell wieder aus ihrem Versteck und ließ sich mit dem Futter anlocken. Wieder ein lauter Knall, ein rennender Hund und zwei völlig aufgelöste Tierschützer Die Minuten krochen dahin wie Stunden, allmählich wurde es dunkel, windig und begann zu regnen. Endlich gab der Tierarzt das Kommando und die Suche begann. Wieder stolperten wir, diesmal zu fünft durch das hohe Dickicht, schoben Brennesseln auseinander und zwängten uns durch Dornenbüsche. Und da sah ich es, zwei rot leuchtende Pfeile zwischen all dem Grün und Braun. Da lag sie, mit offenen Augen und völlig reglos, aber lebendig. Endlich! Der augenblicklich einsetzende Wolkenbruch störte in diesem Moment niemanden. Ehrfurchtsvoll wanderten unsere Blicke zwischen den schwarzen Gewitterwolken über unseren Köpfen und der Schönheit zu unseren Füssen hin und her. Am Anfang war die Dunkelheit Es folgten 14 Monate in einem Wechselbad der Gefühle mit vielen Höhen und Tiefen zwischen Hoffen und Bangen, mit einer einzigartigen Hündin. Eines war ziemlich schnell klar, dies wird ein langer Weg. Nur selten gelang es, sie für kurze Zeit aus dieser zu befreien um dann hilflos zu zusehen, wie sie wieder darin verschwand. Trotzdem machte Alice immer wieder kleine winzige Schritte. Sie lag auf dem Hof neben uns, ließ sich streicheln und füttern und tobte mit anderen Hunden. Manchmal steckte sie neugierig ihre Nase in die Futterküche, wagte sich aber nie herein. Ihre Betreuer begrüsste sie mit wedelnder Rute und freudigem Springen. Lange Schatten und heimliches Leuchten Im Laufe der Monate kamen viele Menschen um sich die hübsche Hündin anzuschauen. Wir waren verzweifelt! Es war klar, daß wir mit unserem Wissen und Einsatz nicht weiterkommen. Von nun an überschlugen sich die Ereignisse. Aus heiterem Himmel erschien eine gute Menschenseele und übernahm die Tierpatenschaft für Alice. Nun tauchte sie in vielen Foren und weiteren Internetseiten auf, was nochmal einen Schub an Interessenten zu uns führte. Sollte diese hübsche Hündin, mit dem großen Herz den Rest ihres jungen Lebens im Tierheim verbringen? Alles was sie brauchte war ein beständiges Heim, Ruhe, Geduld und Liebe! Nein! Wir beschlossen einen neuen Weg zu gehen und wandten uns an eine Psychologin. Die Schatten verblassen Mit einigen Ratschlägen, Anleitungen und Hilfe der Homöopathie begann ein weiterer Lebensabschnitt für Alice. Der Durchbruch! Plötzlich hatten wir einen Hund, der auf dem Hof spazieren ging, im Gras schnüffelte und Löcher buddelte. Sie trug Spielzeug durch die Gegend, vergrub Knochen und stand eines Tages wie selbstverständlich in der Futterküche, mit dem ganzen Kopf im Abfalleimer. Ich erinnere mich noch ganz genau an einen Sonntag Nachmittag. Wenige Wochen später zog Alice aus dem Tierheim aus. Wo ein Schatten ist, da ist auch Licht Abschliessend bleibt zu sagen: Das es bis heute unklar ist, wie Alice an ihren Fundort kam und wie lange sie schon da war. Wir haben oft darüber gerätselt, worauf ihr Verhalten zurückzuführen ist. Wir wissen es nicht! Klar ist nur, daß der Hund etwas erlebt haben muß, daß ihn traumatisierte. Es wird leider immer ein Rätsel bleiben. An dieser Stelle bedanken wir uns bei den vielen Menschen, die so regen Anteil an Alice Schicksal genommen haben und uns auf diesem langen Weg begleiteten. Ein neues Leben Heute lebt Alice gemeinsam mit ihrem Herrchen und zwei weiteren Hunden in einem richtigen Zuhause mit viel Platz, Bewegung, Liebe und Wärme. Ihr neues Herrchen kam vor ihrer Vermittlung mehrere Wochen lang, alle zwei Tage zu uns und arbeitete mit ihr. Er fuhr jedes mal 500 km, bis er sie mitnahm. Auch hier ist es an der Zeit ganz laut Danke zu sagen ... Für den unglaublichen Einsatz, den Mut und die Unterstützung! Wir werden Alice zwar weiterhin begleiten, trotzdem ist es Zeit auf Wiedersehen zu sagen, auch wenn es schwer fällt. Alles Gute Alice! Unser Besuch bei Alice Am 1.12.2007 machten wir uns zu viert auf den Weg um Alice zu besuchen. Zwei Doggen standen hinter einem Zaun und meldeten sich lautstark. Das hat kaum jemanden wirklich interessiert, da alle Blicke auf den Dobermann im Garten gerichtet waren. Wir waren etwas unsicher, da wir nicht wussten, wie Alice auf uns reagieren würde. Sie stand einige Meter von uns entfernt und beäugte uns skeptisch. Doch dann kam sie auf uns zu, wedelte mit ihrer Peitsche und ließ sich abwechselnd von jedem streicheln. Sie sah gut aus, viel muskulöser und kräftiger, als wir sie in Erinnerung hatten. Ihr Fell war glänzend und sie war wirklich überraschend ruhig. Nach der ersten Begutachtung wurden auch die anderen zwei Vierbeiner aus dem separaten Auslauf geholt und begrüsst. Es waren sehr interessante Stunden, die uns einen großen Einblick in Alice neues Leben gaben. Sehr spannend waren die vielen Anekdoten, die Herrchen über Alice zum besten gab. So springt sie schonmal auf seinen Schoß, während er auf seinem Fernsehsessel entspannt. Sie ist immer die erste am Kühlschrank und verbuddelt Futter im Garten. Gegenüber den anderen Hunden setzt sie sich konsequent durch und hat die Führung übernommen. Wir selbst konnten 3 Hund sehen, die eine sehr gute Bindung zu ihrem Halter haben. Besonders Alice schien ständig seine Nähe zu suchen. Sie war nicht mit dem hektischen Hund zu vergleichen, den wir wenige Monate zuvor noch auf unserem Hof hatten. Sie war zwar immer noch vorsichtig und schüchtern, aber sehr ruhig und ausgeglichen mit zum Teil großer Selbstsicherheit. Nach drei schönen Stunden traten wir die Heimfahrt an. Erst zuhause begriffen wir, welche Anstrengung der Mann auf sich genommen hat, als er alle 2 Tage, über einen Zeitraum von mehreren Wochen zu uns kam um Alice zu besuchen. Vorsichtiger Kontakt Noch etwas schüchtern
Schon besser Ein Pony ;-)
Und noch eins
(man beachte meine Rute, während ich Herrchen anschaue)
In Aktion
Beim Toben
nochmal ich
Zum Vergleich - über ein Jahr vorher
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- Kategorie: Rückblick